Abschied von Hansjürgen Zurth
Mit Trauer und Freude erinnern wir uns an unser ältestes Früchtchen. Viele ältere Menschen kapseln sich nach dem Tod des Lebenspartners ab. Nicht so Herr Zurth: Kurz nach dem Tod seiner Ehefrau nach 54 Ehejahren fand er als Witwer im Schachspiel mit den jüngeren Generationen einen neuen Lebenssinn. Ab 2004 im HortEins in Wilhelmsruh und später auch in der SchuleEins zeigte er Generationen von Schulkindern, was es bedeutet, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen, den nächsten Spielzug zu erahnen und so spielerisch Empathie zu vermitteln. Den Kurs leitete er zunächst mit Horst Schubert, später mit Uz Kirchhoff. Stolz war er, wenn ihn junge Erwachsene auf der Straße grüßten, mit dem Verweis darauf, Jahre zuvor bei ihm das Schachspielen erlernt zu haben. Gemeinsam mit Herrn Schubert, Frau Dohmeyer, Frau Specht und Familie Liebram belebte er das “MGH Pankow” in der Roten Schule und zeigte, was es bedeutet, von der (Ur)Großelterngeneration zu lernen.
Eng verbunden war er mit seinem Heimatkiez in Wilhelmsruh: Geboren im familiären Wohnhaus gleich neben dem Wilhelmsruher See konnte er noch über jene Zeit berichten, als es dort ein Freibad gab. Diese Erinnerungen teilte er in dem Interviewprojekt “Kindheitserinnerungen”, nicht ohne dabei an die heutigen Aufgaben zum Schutz unseres Klimas zu appellieren. Die in dem HortEins-Kurs “Dreh dein Ding!” entstandenen Filme können hier noch einmal angesehen werden.
Als Zeitzeuge ging er in unsere Schulklassen und vermittelte unermüdlich verschiedenen Altersgruppen eindringlicher als jedes Geschichtsbuch, was Politik für ein einzelnes Leben bedeutet:
Geboren 1925 in der Weimarer Republik, mit 16 eingezogen werden, um für Nazi-Deutschland in den Krieg zu ziehen, anschließend vom 17. bis zum 21. Lebensjahr in sowjetischer Gefagenschaft früh zu lernen, was der Sinn des Lebens ist und dass es sich darum zu kämpfen lohnt, die Fehler der älteren Generation zu beheben, aber vor allem: bei seiner Familie zu sein und dafür zu sorgen, dass zukünftige Generationen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und nie wieder im Krieg leben sollten.
Für dieses Wirken wurde er 2016 mit dem Ehrenamtspreis der Bezirksverordnetenversammlung Pankow ausgezeichnet.
Durch den Blick in die wissbegierigen Augen der jüngeren Generationen schöpfte er sein Lebenselixier. Als man damit begann, die Pandemie zu bewältigen, wurde mit Plexiglasscheiben, Handschuhen und Desinfektionsmittel dafür gesorgt, dass er seine Schachkurse bald wieder aufnehmen konnte. Bis zuletzt trieb ihn die Lust aufs Leben an. Sie war Motivation, die Prognosen der Ärzte immer wieder zu widerlegen und sich an jedem Tag zu erfreuen. Was für eine Inspiration!
Dass ältere Menschen Teil unserer Gesellschaft sind und unsere “Opis” und “Omis” sein können, ohne dass uns familiäre Bande verbindet, hat er mit seiner herzlichen Präsenz in seinen Schachkursen- und turnieren, bei Zeitzeugentreffen und auf unseren Festen deutlich gemacht. So unvorstellbar es anmutet, sich das alles nun ohne ihn vorzustellen, danken wir ihm für seine Verdienste und bewahren die Erinnerung an ihn.
Am 25.07.2023 um 02:30 Uhr ist Hansjürgen Zurth in seinem 98. Lebensjahr in seinem Geburtshaus im Kreise seiner Lieben friedlich verstorben.
Die Urnenbeisetzung findet am 04. September 2023 um 11.00 Uhr auf dem Friedhof Pankow VII – Rosenthal/Wilhelmsruh, Uhlandstraße 54, 13158 Berlin statt.